Es ist ein rührender Text, den die 16-jährige Gymnasiastin Mona da im aktuellen Spiegel hat schreiben lassen („aufgezeichnet von Takis Würger“). Sie beklagt, dass es in der Schule kein Fach „Aktuelle Politik“ gebe, und stellt jede Menge Fragen, auf die sie von ihren Lehrern gerne Antworten hätte: „Was hat Russland mit Syrien zu tun? Soll Deutschland mehr tun im Syrien-Konflikt? Wie lösen wir den Streit um Palästina? Wieso reagiert Erdogan so hart? Wie spricht man den Mann eigentlich aus: Erdoan oder Erdogan? Was ist jetzt mit dem EU-Beitritt der Türkei? Was macht die Bundeswehr in Mali? Was will die FDP? Wer will Peer Steinbrück? Kriege ich Ärger wegen dieses Textes?“

Ja, und zwar mit mir!

Natürlich wäre es schön, wenn im Sozialkunde- oder Politik-Unterricht auch über aktuelle politische und gesellschaftliche Entwicklungen diskutiert werden würde. Aber Antworten auf die oben genannten Fragen? Wie man Erdogan ausspricht, könnte Mona lernen, wenn sie nur mal zwei Minuten bei der Tagesschau zuhört, deren Nachrichten sie am liebsten „nacheinander wegklicken“ würde. Wie der „Streit um Palästina“ zu lösen ist, daran beißen sich Generationen von Politikern seit Jahrzehnten die Zähne aus (mal ganz davon abgesehen, dass ich ungern von einem Lehrer hören würde, wie „wir“ den „Streit um Palästina“ lösen). Und was die FDP will, weiß vermutlich nicht mal Parteichef Philipp Rösler so genau.

Mona beschwert sich, dass sie sich in Sozialkunde stattdessen mit der Frage beschäftigen muss, was notwendig ist, um ein Gesetz zu verabschieden (eine Frage, bei der man möglicherweise Einiges darüber lernen könnte, was Russland mit Syrien zu schaffen hat). Sie klagt, dass sie sich bei Spiegel Online häufig ein paar Fakten hole, aber die Zusammenhänge nicht verstehe. Wobei sie freimütig einräumt, dass das auch daran liegen könne, dass sie die Geschichten nur scanne und eigentlich nie zu Ende lesen wolle. Am liebsten hätte sie offenbar einen Lehrer, der ihr leicht konsumierbar eine Meinung kredenzt, auf dass sie diese nur noch liken muss.

Es ist nicht schön, wenn man feststellen muss, wie man selbst zum konservativen Kulturpessimisten mutiert. Aber die Welt lässt sich nun mal nicht in zweiminütigen YouTube-Clips erklären, und eine Meinung ist nichts, was man sich durch einen Retweet bildet. Mona verschanzt sich hinter einer zur Schau getragenen Naivität: Sie sei 16. Sie wolle nicht so tun, als könnte sie einen neuen Lehrplan aufstellen, der besser sei als der alte. Aber sie wolle ein paar Fragen stellen und hoffen, dass es da draußen einen Lehrer gebe, der sich berufen fühle, ihr die Antworten zu liefern. Die Sesamstraße hat natürlich recht: Wer nicht fragt, bleibt dumm … Am dümmsten aber bleibt, wer einfache Antworten auf die komplexen Fragen unserer Zeit erwartet. Selber denken, macht klug.

Nein, nichts gegen Mona, Schülerin am Ruperti-Gymnasium in Mühldorf am Inn, die eben daherredet, wie die meisten 16-Jährigen das tun. Aber ein paar Fragen stellen sich mir doch: Seit wann lässt sich der Spiegel seine Artikel von Zehntklässlerinnen diktieren? Ist das Nachrichten-Magazin jetzt die beste Schülerzeitung Deutschlands? Kriege ich Ärger wegen dieses Textes? Und was ist eigentlich notwendig, um ein Gesetz zu verabschieden?