zweifelturm
Freitag, 25. Juli 2014
The Eternal Israeli

Did you ever want to show how brave you are because you wanted to say what everyone was thinking anyway? Then go ahead and just write an essay criticizing Israel! The following offers you a small helping hand to the truth, points out how such a text should look and indicates as well a few – shall we say, stumbling blocks, that you must absolutely avoid and watch out for so that your publication will actually be understood as critical of Israel and not as …well, you know of course.

1. The witness

You should cite Jews who are critical of Israel, for whoever citesa Jew – this is in the essence of the matter – cannot hate Jews. In so doing, serve yourself for simplicity’s sake from the familiar pool of „critical Jews,” those who are gladly cited again and again in other texts critical of Israel.

2. Concentration

Do not mention Hamas in your article – or if you do only as a side-issue. Doing so only diverts attention from your theme. Your text is only about Israel.

3. Clarity

Chose vivid comparison so that those who know even less than you do about the Middle East can form a picture of what’s going on there. Compare the Gaza strip to the Warsaw Ghetto and the state of Israel to the apartheid regime in South Africa. If you have literary ambitions, you can also try these paraphrases and slogans: Describe Gaza as „a prison” or „camp” (Lager) in which human beings are crammed together. Express your hopes for a „Nelson Mandela” for Israel. Great prose emerges when the reader fills empty spaces.

4. When in doubt, always be on the Left

Make it absolutely clear that you are a leftist or that at least you have a leftist past. For whoever is on the left is against the Nazis and thus cannot be against the Jews – unless (and attention, it gets a bit complicated) – the Jews behave the same way as the Nazis. In this case you can show just how horrible you think the Holocaust was by placing it on the same level the crimes of Israel.

5. Moral tradition

Unconditionally and devoutly stress that you, precisely because you are German and on the left have a duty to criticize Israel because you must not be silent in the face of new injustice.

6. Thoroughness

Make your criticisms of Israel as sweeping as possible because too many facts will confuse the reader. Especially in such highly complex material, it’s very important not to get lost in details. Take your distance from the concrete sources and facts. Here you are the Middle East expert! You are the expert!

7. Critical solidarity

Always write that you only want the best for Israel, that you, in contrast to the „supposed friend of Israel” (Jakob Augstein) are its true friend or that you, as Harold Martenstein put it in the Tagesspiegel even „pray” for Israel.

8. Hinting at premonition

When you want to write something for which you have no evidence but which you nevertheless believe is correct (such as the [essence of] the real interest of Israel, the [reality of the] Jewish drive toward world domination, and the Jewish control of the media and politics) formulate it as a question or premonition! With Jakob Augstein, for example, ask „Who is served by violence?” And answer your question yourself: „And this time – by the way – it serves the Republican Party in the United States or the Israeli government.” In this „by the way,” the reader can read everything that you mean (see here also point 3: leave black spaces).

9. Immunization

Claim that one is not permitted to criticize Israel without being called an anti-Semite. In so doing, you show your own courage and also make your text unassailable because every criticism confirms your thesis.

10. Self-control

Proofread your text from beginning to end. Check to make sure – even if this is difficult – that you have written „Israel” instead of „Jews“. You, with your anti-racist ass, will thereby not permit the dismantling of what you have so painstakingly constructed.

First published in the taz, Germany, 12/15/2012. Translation by Jeffrey Herf, December 19, 2012.

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Mittwoch, 30. April 2014
Sexyland ist abgebrannt ...

"Zauberland ist abgebrannt / Und brennt noch irgendwo."
(Rio Reiser)

Bei Facebook gibt es bekanntlich für fast alles eine Gruppe, der man beitreten kann. Kürzlich war ich dann aber doch überrascht. Da erhielt ich eine Einladung der Gruppe „Wir wollen den Athener Grill am Kudamm zurück“. Der Athener Grill – von uns Jugendlichen liebevoll nur „der Athener“ genannt – war in den Achtzigern ein Selbstbedienungsrestaurant am Lehniner Platz, direkt neben der Bhagwan-Disco Far Out, die es ebenfalls nicht mehr gibt.

Im Far Out konnte man barfuß unter einem riesigen Osho-Bild tanzen, im Athener anschließend jede Menge billiges, fettes Essen vertilgen. Wir bestellten meist ein Gericht, das wir „Prollpies with cheepchease“ nannten – Prollpizza mit Schafskäse, die wir zwischen zwei Pide-Hälften einklappten. Einem Freund gelang es in wochenlanger Arbeit sogar, die Bons zu fälschen, für die man das sowieso schon preiswerte Essen bekam.

Es ist schon erstaunlich, wie man mit zunehmendem Alter selber zum Zeitzeugen wird, weil die Stadt, in der man lebt, sich verändert. Unser halbes West-Berlin ist verschwunden: Im Athener ist eine Spielhalle, im Far Out eine Schicki-Disco; die Deutschlandhalle wird durch den City Cube ersetzt und ins ICC kommt womöglich eine Shopping-Mall. Sogar das Big Sexyland gibt es nicht mehr, wie ich kürzlich feststellen musste – plattgemacht von der imperialistischen Pornoindustrie im Internet. Oder um es mit einem philosophisch bewanderten Freund zu sagen: Nichts wird besser.

Das Sexyland war eine Mischung aus Sexshop und Pornokino, das vor allem für das Plakat bekannt war, mit dem es jahrzehntelang warb: eine sich lasziv im Bauchnabel prökelnde barbusige Dame, die Max Goldt in einem Text einmal „Mademoiselle Gesichtsausdruck“ taufte. In die Räume zieht demnächst irgendein Flagshipstore.

Noch erstaunlicher ist allerdings die Wehmut, die einen angesichts dieser Verluste befallen kann. Ich zum Beispiel verspüre plötzlich eine tiefe Sehnsucht, barfuß unter einem Bhagwan-Bild zu tanzen und anschließend eine fetttriefende Pizza zwischen zwei Pide-Hälfte zu verspeisen. Und für einen Augenblick spiele ich sogar mit dem Gedanken, eine Facebook-Gruppe namens „Wir wollen wieder im Big Sexyland onanieren“ zu gründen. Die Jungs aus der Athener-Gruppe wären bestimmt auch dabei.

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Sonntag, 6. April 2014
Die Mär von den bösen Medien

„Staatlich und wirtschaftlich gelenkter Dünnpfiff, der einfach streng nach Propaganda riecht. Ganz so doof ist der Michel nämlich doch nicht.“ (Online-Kommentar)

Nach den Politikern und Parteien – also „denen da oben, die mit uns ja eh machen, was sie wollen“ – hat der kleine Mann auf der Straße seit einiger Zeit ein neues Feindbild entdeckt: die Medien. Für die Rechten schon immer ein rotes Tuch – wahlweise Rot- oder Juden-Funk, in harmloseren Fällen eine von Alt-68ern unterwanderte rot-grüne Gesinnungspresse –, findet man nun auch in links-liberalen und bürgerlichen Kreisen die sogenannten „Mainstreammedien“ ganz schlimm.

Gleichgeschaltet oder ferngesteuert seien die, kann man in Online-Kommentaren und Foren lesen – und die öffentlich-rechtlichen Sender sowieso nichts anderes als ein zwangsfinanzierter Staatsfunk, der wie im Fall der Krim-Krise westliche Propaganda verbreite.

Eine Behauptung, die in ihrer Absolutheit und Pauschalität der Wahnwelt der Verschwörungstheorien entstammt. Dezidierter wird‘s denn auch selten: Wer genau ist mit den ferngesteuerten Medien gemeint? Die Verlagshäuser? Die Redaktionen? Der jeweilige Journalist? Und wie sieht die Gleichschaltung aus? Gibt es geheime Verträge? Schriftlich fixierte politische Richtlinien, an die sich jeder zu halten hat? Bei Missachtung Waterboarding im Büro des Chefredakteurs? Werden angehende Journalisten während des Volontariats Gehirnwäschen unterzogen? Und wer genau steckt dahinter: die jeweilige Regierung? Die Wirtschaft? Oder wie im Fall der Krim-Krise gerne unterstellt: die Amerikaner, deren imperialistische Gelüste selbstverständlich auch vor den deutschen Medien nicht haltmachen? Genauere Erklärungen zum Ablauf der Gleichschaltung sucht man vergebens.

Ich jedenfalls kann mich nicht erinnern, in zwanzig Jahren Tätigkeit für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk jemals politische Vorgaben bezüglich Themen, Gesprächspartnern oder Aussagen bekommen zu haben. Ich musste mich nach Zielgruppen, dem Programmprofil und – häufig nervig genug – gerade angesagten redaktionellen Moden in Bezug auf Beitragslänge oder Umsetzungsformen richten, aber politischer Einfluss auf die Inhalte? Mal ganz davon abgesehen, dass es mehr als unwahrscheinlich wäre, wenn eine derartige Manipulation bei rund 80.000 festen und freien Journalisten in Deutschland nicht ans Licht der Öffentlichkeit kommen würde.

Und was die vermeintliche Propaganda angeht: Es waren westliche Medien, die die Enthüllungen Edward Snowdens, der von nicht wenigen Medienkritikern als Held verehrt wird, in die Öffentlichkeit gebracht haben. Holger Stark und Marcel Rosenbach, die das Thema „NSA“ für den Spiegel recherchierten und unter anderem das Abhören von Merkels Handy öffentlich machten, wurden gerade erst als „Journalisten des Jahres“ geehrt – soweit her kann es mit der Steuerung der Medien durch die Amerikaner also nicht sein. (Wobei selbstverständlich zu bedenken ist, dass die Auszeichnung auch nur zur Ablenkung verliehen worden sein könnte und auch Merkels Handy womöglich gar nicht abgehört wurde, um so die Unterwanderung der deutschen Medien durch den US-Imperialismus zu kaschieren …)

Auch bei der Berichterstattung zur Krim-Krise hat noch in jeder der unzähligen Talkshows zum Thema vom russischen Botschafter über den unvermeidlichen Peter Scholl-Latour bis hin zu Gregor Gysi ein Verteidiger der russischen Politik Platz gefunden. Und wem der Tenor der meisten Medien in diesem Fall nicht passt, der kann immer noch die Texte Jakob Augsteins auf einer der weitreichenstärksten deutschen Nachrichtenwebsites lesen, deren Miteigentümer Augstein ist.

Nicht, dass es an den Medien nichts zu kritisieren gäbe: Da ist jene Skandal- und Schlagzeilenfixiertheit, die dazu führt, dass vermeintliche „Aufreger“ in immer kürzerer Zeit durchs mediale Dorf getrieben werden; da sind die Liveticker-Auswüchse der Online-Medien, wie sie der Medienjournalist Stefan Niggemeier kürzlich kritisierte (dessen Blog im Übrigen einen guten Überblick über kritik- und diskussionswürdige Entwicklungen in den Medien gibt). Da sind Fernseh-Talkshows, die nach dem immer gleichen Schema, mit den immer gleichen Gästen und Themen funktionieren und deren Erkenntnisgewinn in der Regel gering ist. Dies alles hat jedoch nichts mit Gleichschaltung oder politischer Steuerung zu tun, sondern eher mit den Veränderungen der Medienlandschaft an sich und mit dem Markt, in dem sich die Medien bewegen.

Das Problem: Die Behauptung, die deutschen Medien wären gleichgeschaltet, steht der berechtigen Kritik an ihnen im Weg, weil sie die wahren Ursachen und Probleme negiert. Wie alle Verschwörungstheorien ist sie regressiv und verschließt sich einer auf Veränderung zielenden Analyse.

Natürlich gibt es den Versuch politischer Einflussnahme. Die Absetzung von ZDF-Chefredakteur Nikolaus Brender durch die Unions-Mehrheit im ZDF-Verwaltungsrat sorgte für einen Skandal; in der Folge hat das Bundesverfassungsgericht die Macht von Politikern in Fernseh- und Rundfunkräten begrenzt. Es gibt Anrufe von Politikern in Chefredaktionen, mit der Absicht, Einfluss auf die Berichterstattung zu nehmen – was jedoch, wenn es rauskommt, jedes Mal zu einem veritablen Eklat führt und als verwerfliche Ausnahme von der Regel zeigt: Im Großen und Ganzen funktioniert das mit der Pressefreiheit hierzulande ganz gut.

Bei aller berechtigter und notwendiger Kritik – und auch wenn es fast peinlich ist, dies zu sagen: Wir haben in Deutschland vermutlich eine der besten und vielfältigsten Medienlandschaften der Welt, wo von Junger Freiheit bis Junger Welt noch jeder den Schwachsinn lesen kann, der seine Vorurteile am besten bestätigt.

Am liebsten möchte man all jene, die im Internet munter von der Gleichschaltung der deutschen Medien fabulieren, mal zu einem halben Jahr Berlusconi-Fernsehen und Putin-Presse verdonnern. Aber vermutlich würde selbst das nichts ändern – es muss einfach ein wahnsinniger Reiz darin liegen, sich von höheren, undurchsichtigen Mächten ständig verarscht und verfolgt zu fühlen. Ganz so schlau ist der Michel dann doch nicht. Aber glücklicherweise ist auch dies von der Meinungs- und Pressefreiheit hierzulande gedeckt.

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Contact request Lieber Philip Meinhold
Wie könnte ich Sie per Email erreichen? Ich heiße Omer...
Oliverfunk, vor 4 Jahren
Oh, vielen Dank! Das freut
mich - und ich hoffe, das Buch hält dem...
philipmeinhold, vor 9 Jahren
als spross eines naziclans
hab ich jahrzehntelang meinen schuldkomplex abgearbeitet war 1987 zwei wochen...
wilhelm peter, vor 9 Jahren
Moabit Ich verstehe den Hintergrund
für den Artikel sehr gut. Dennoch bleibt zu behaupten, die...
Mario Murer, vor 10 Jahren
Hach, ja! Schön, war's!
philipmeinhold, vor 10 Jahren
Randnotiz: Der Plus in
der Stromstraße, 2002
Mama, vor 10 Jahren
Ja. Beknackt
ist ja auch, daß in den Townhouses die Wohnungen plötzlich senkrecht statt...
stralau, vor 10 Jahren
ich kenne keinen Investor, der
bereit ist, großzügige Räume im historischen Bestand (etwas Dachräume)...
Kalkspazz, vor 10 Jahren
Können Sie nicht in den
Schrank der Großeltern ziehen? Dann sind die Sachen auch...
philipmeinhold, vor 10 Jahren
Ja! Ja! Ja! Hier in
Frankfurt gibt es ja das neue "Europaviertel", von mir...
andreaffm, vor 10 Jahren
ja es ist auch gutes
übriggeblieben man erkennt an dem posting allzudeutlich dass nicht...
wilhelm peter, vor 10 Jahren
bin 60 und ziehe mir
den schuh an selten so gelacht tolle polemik lsd...
wilhelm peter, vor 10 Jahren
Oh, nein! Das kommt davon,
wenn man aufgehört hat, das Kino-ABC nach Hitchcocks zu...
philipmeinhold, vor 10 Jahren
"Blackmail" "Blackmail" lief am 28.
Juni 2011 im Babylon Mitte mit Live-Orgelbegleitung. Großartig!
donegal68, vor 10 Jahren
unabhängigkeit Hallo Herr Meinhold,
leider beleuchtet auch ihr hier verfasster Artikel die Problematik nicht wirklich....
medionso, vor 11 Jahren
Wir brauchen einen ÖR... ...
aber diesen nicht. Siehe die Beiträge oben. Ich bin überhaupt...
uessen, vor 11 Jahren
Nein... Nein, nein, nein! Mein
persönliches Nutzungsprofil des ÖR ist ziemlich überschaubar: Von selber eigentlich...
Enter, vor 11 Jahren
Alternativen Hallo Herr Meinhold !
Ich kann Abhilfe schaffen, um die Angst vor Tellerrändern (und...
rugay, vor 11 Jahren
Meinen Sie diesen Schönenborn? http://www.politaia.org/internet-und-medien/putin-lasst-gez-schonenborn-auflaufen/
Ich kann GEZ-Steuern mit meinem Gewissen nicht vereinbaren. Ihr Beitrag...
Infoliner, vor 11 Jahren
Die Graffiti-Analogie verstehe ich nicht.
Zur "Verbeamtung": Das ist ja ebenfalls eines der Vorurteile...
philipmeinhold, vor 11 Jahren
Betriebsblind. Die Leute regen sich
nicht über die sagenhafte Programmvielfalt eines Qualitätsmediums auf, sondern, über...
Scriptmaster, vor 11 Jahren
Ihre Ausführungen ähneln denen eines
15-Jährigen, der bei seiner "Grafitti-Kunst" erwischt wurde und nun...
bernd23, vor 11 Jahren
Und damit sind die GEZ-Hasser
dann in der Gesellschaft, die zumindest die undifferenzierte Kritik...
philipmeinhold, vor 11 Jahren
derselbe Fehler "Und dafür zahle
ich GEZ!" ist also nicht hilfreich und reichlich abgedroschen? Gleiches...
ThomasL, vor 11 Jahren
ich mach mir die welt
wie sie mir gefällt.. aus pipi langstrumpf,eine serie die ich...
neuheide, vor 11 Jahren

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